,Harte’ Realität vs. soziale Konstruktion – zur paradoxen Instrumentalisierung und Politisierung von Wahrheit und Erkenntnis

Einige der gegenwärtig sowohl in der akademischen Welt als auch in der breiten Öffentlichkeit geführten Debatten, etwa über den durch den Menschen verursachten Klimawandel, die Bedrohung durch die Corona-Pandemie oder Fragen von Gender und Identität, weisen aus wissenschaftstheoretischer Sicht eine erstaunliche Paradoxie auf. Einerseits wird mit Blick auf manche naturwissenschaftlichen Erkenntnisse die ‚Widerständigkeit‘ der Natur und die Unausweichlichkeit ‚harter‘ Fakten betont. Andererseits scheint in weiten Teilen der geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschung ein konstruktivistisches Paradigma vorherrschend zu sein. Die dahinterstehenden Positionen des Realismus und des Konstruktivismus stehen indes in einem scharfen Gegensatz zueinander. Im Vortrag soll die These vertreten werden, dass die mit diesem Gegensatz skizzierte unbefriedigende Debattensituation einer zunehmend politisierten und moralisch aufgeladenen Diskussionskultur geschuldet ist, die den wissenschaftstheoretischen Status naturwissenschaftlicher Erkenntnis ausblendet und entweder zur Verabsolutierung einer subjektunabhängigen Realität oder ihrer Verkennung führt.

Christian Suhm studierte Philosophie, Indologie, Psychologie, Klassische Philologie und Physik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo er 2003 mit einer Arbeit über den Wissenschaftlichen Realismus promoviert wurde. Von 2003 bis 2009 war er Wissenschaftlicher Assistent am Philosophischen Seminar der Universität Münster. 2006 gründete er dort das Zentrum für Wissenschaftstheorie, dessen Geschäftsführer er von 2006 bis 2009 war. Im Wintersemester 2008/09 vertrat er eine Professur für Theoretische Philosophie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seit 2009 ist Christian Suhm Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Alfried Krupp Wissenschaftskollegs Greifswald.

Moderation: Professor Dr. Andreas Ohme


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