Professor Dr. Michael Thimann

Alfried Krupp Senior Fellow 
(Oktober 2013 - März 2014)

  • Geboren 1970 in Kiel 
  • Studium der Kunstgeschichte, Klassischen und Frühchristlichen Archäologie und Neueren Deutschen Literaturwissenschaft in Kiel, Würzburg, Bologna und Berlin 
  • Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen 

Fellow-Projekt: "Der romantische Mann. Zur Bild-, Kunst- und Ideengeschichte von Männlichkeit zwischen 1780 und 1850"

Der romantische Künstler ist in der Regel ein Mann; Frauen sind an der literarischen Romantik zwar entschieden beteiligt, doch bleibt die romantische Bildkunst ein weitgehend männlich dominiertes Phänomen. Die Romantikforschung hat sich der Frage nach der Thematisierung einer spezifischen Männlichkeit im frühen 19. Jahrhundert im Hinblick auf den Künstler noch nicht gestellt. Gegenstand des Buchprojekts ist daher die Rekonstruktion eines bildlichen Diskurses, der in der Zeit um 1800 seinen Anfang nimmt. Gefragt wird in geschlechtergeschichtlicher Perspektive, wie sich das Bild des Mannes um 1800 neu formiert und in den relevanten Medien, vor allem in bildender Kunst und Literatur, dargestellt wird. Im Zentrum steht dabei der romantische Künstler als Ausnahmefigur, womit die Vorgeschichte des männlichen Künstlersubjekts als Außenseiter als eine Generalerzählung der Moderne kritisch reflektiert werden soll. Die visuelle Repräsentation von Männlichkeit ist in der klassisch-romantischen Kunstperiode zwischen etwa 1780 und 1850 gerade in den deutschsprachigen Ländern durch die Ausbildung eigentümlicher Bildkonzepte ausgezeichnet. Diese gilt es zu beschreiben. Individualität, Originalität und Charakter des männlichen Künstlersubjekts, wie sie in den Selbstinszenierungen, Selbstdarstellungen und Selbstdeutungen vorgeführt werden, stehen in enger Beziehung zu den ästhetischen Postulaten der Epoche wie Natur, Gefühl, Autonomie, Authentizität und ohne universal gültige Regeln auskommendes Schöpfertum. Die zentrale Frage ist: Wie formt sich nach dem
weitgehenden Ende der höfischen und kirchlichen Auftragskunst um 1800 ein neuer bürgerlicher Künstlertyp, der seine Männlichkeit reflektiert, sein romantisches Selbst und seine soziale Gruppen- oder Familienzugehörigkeit betont in Szene setzt und bewusst mit sozialen Konventionen bricht, indem er auch Gefühl, Melancholie, Einsamkeit, Armut und Verzweiflung zur Schau stellt, kurzum: auch sein mögliches Scheitern als ein aus allen herkömmlichen gesellschaftlichen Bindungen gelöstes autonomes Künstlersubjekt thematisiert? 

Fellow-Bericht im Studienjahr 2013/14