Professor Dr. Johannes Grave

Alfried Krupp Senior Fellow
(Oktober 2014 - März 2015)

  • Geboren 1976 in Thuine (Emsland)
  • Studium der Kunstgeschichte, Mittellateinischen Philologie und Mittelalterlichen Geschichte in Freiburg i. Br.
  • Professor für Historische Bildwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Bielefeld

Fellow-Projekt: "Der Akt des Betrachtens. Zur rezeptionsästhetischen Temporalität von Bildern"

Bilder sind auf besondere Weise in Zeitlichkeit verstrickt; in ihnen verschränken sich unvermeidlich verschiedenste Zeitebenen: die Zeit des Dargestellten, die Alterung des Bildträgers, Prozesse der Wahrnehmung sowie Erinnerungen und Erwartungen des Betrachters. Die Wahrnehmung von Bildern lässt sich daher nicht als simultane Schau einer gegebenen visuellen Ganzheit verstehen, sondern vollzieht sich in einer eigenen Zeit, in der das Sehen vorgezeichneten Spuren folgt oder neue Wege durch das im Bild anschaulich Gegebene bahnt. Jeder Akt des Bild-Betrachtens impliziert Prozesse, in denen verschiedene Elemente des Bildes zueinander ins Verhältnis gesetzt werden.
Für die Spezifik der Zeiterfahrungen vor Bildern sind deren rezeptionsästhetische Qualitäten von zentraler Bedeutung. Durch seine Gestaltung ermöglicht das Bild bestimmte Wahrnehmungsprozesse oder schränkt sie ein. Inwiefern und mit welchen Mitteln Bilder die komplexe Zeitlichkeit ihrer Rezeption beeinflussen, ist jedoch noch weitgehend ungeklärt. Die geplante, systematisch angelegte Untersuchung soll einen begrifflichen und analytischen Rahmen für eine Rezeptionsästhetik des Bildes entwickeln, die die Zeitlichkeit des Akts der Bildbetrachtung in ihr Zentrum stellt. Dabei ist nicht zuletzt eine neue Antwort auf die Frage zu erwarten, warum Bildern auch jenseits einer Rhetorik der Evidenz oder täuschenden Realitätseffekten eine besondere Wirkmacht zukommen kann.

Fellow-Bericht im Studienjahr 2014/15