Translation und Bildlichkeit. Zur Frage visueller Zirkulationsprozesse in der Romantik

Um 1800 löste der schottische Ossian-Mythos eine europaweite Euphorie aus. In Literatur und Bildkunst finden sich unzählige Reflexionen der keltischen Sagenwelt. Zu den zentralen bildlichen Darstellungen zählen Werke von J. M. W. Turner und Philipp Otto Runge, aber auch Caspar David Friedrichs Arbeiten wurden von Zeitgenoss*innen wiederholt mit ossianischen Imaginationen in Verbindung gebracht. Kennzeichnend ist, dass sich für ossianische Bilder eine genuine Wirkmacht konstatieren lässt, die losgelöst von literarischen Vorlagen zu betrachten ist. Vor dem Hintergrund der in der Zeit geführten medienästhetischen Debatten, die insbesondere um das Problem der Wirkweise von Dichtkunst und Malerei kreisten, stellt sich daher die Frage, ob Bilder der Romantik, wie Sprache, nicht gleichermaßen einer eigenen Form der Übersetzung bedürfen. In kritischer Auseinandersetzung mit dem Konstrukt nationaler Schulen diskutiert der Vortrag die Genese der romantischen Bildthemen als einen persistenten bildkulturellen Translationsprozess, der innerhalb einer pluriformen Romantik zu verorten ist.

Elisabeth Ansel ist Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Europäische Romantik der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 2021 wurde sie an der TU Dresden mit einer Arbeit zu nationalen Identitätskonstruktionen in der irischen Moderne promoviert. Die Dissertation wurde mit dem Dissertationspreis der Kulturstiftung Dresden der Commerzbank ausgezeichnet und ist 2023 im Böhlau Verlag erschienen. Forschungsaufenthalte führten sie nach Dublin, New Haven und New York. In ihrem aktuellen Projekt geht sie bildkulturellen Zusammenhängen innerhalb einer global gedachten Romantik nach. Im Wintersemester 2023/24 ist Elisabeth Ansel Junior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald.

Moderation: Professor Dr. Kilian Heck (Greifswald)


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