Was prägt unser Bild vom Norden?

Abbildung: Johan Thomas Lundbye, winter landscape, 23,5 x 38 cm, oil on wood on cartonboard, 1845. (Staatliches Museum Schwerin / Ludwigslust / Güstrow, Schenkung Christoph Müller im Pommerschen Landesmuseum Greifswald)

Wie sieht der “Norden” überhaupt aus? Wer schaut gen “Norden” und von wo aus? Gegenwärtig tauchen die Fragen nach der Anziehungskraft des "Nordens" und seiner Themen, die bereits im 19. Jahrhundert virulent waren, verstärkt wieder auf. Dem “Norden” als Sehnsuchtsort, als romantischem Ort mythischer Bilder stehen allerdings seine Unzugänglichkeit, die Kälte, das Eis oder die hier “oben“ besonders empfundene Einsamkeit scheinbar diametral entgegen. Warum der “Norden” dennoch immer wieder als Sehnsuchtsziel, als das “Reine“ und scheinbar Unberührte funktionieren kann und nicht zuletzt als Topos für das Endziel weltweiter Migrationsbewegungen steht, das ist ebenfalls eine Frage, die sich heute akuter denn je stellt. Und wie gehen wir schließlich mit der aktuellen Tatsache um, dass dieser Sehnsuchtsort angesichts der globalen Erwärmung uns buchstäblich vor den Augen hinwegzuschmelzen scheint?

Wenn vom Norden die Rede ist, dann sofort auch von der “nordischen” Landschaft. Daher fragt die internationale Konferenz “Inventing the pictorial North” unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Kilian Heck (Universität Greifswald) und Nico Anklam (Universität Greifswald/Berlin) zunächst, wie sich überhaupt nach 1800 eine "nördliche" Bildsprache in der Kunst Nordeuropas etablieren konnte. Durch welche Motive konnte der “Norden“ überhaupt als “Norden“ identifiziert werden? Waren es nur bestimmte Themen oder Darstellungen von Naturphänomenen in Landschaften, durch die sich “nordische“ Themen verbreiten konnten? Welche institutionellen und sozialen Strukturen haben diese Entwicklungen gefördert? Sind bestimmte “ethnische Typen“ in den Fokus gerückt, um ein weiteres Merkmal der “nordischen“ Kunst darzustellen? Haben Techniken der “wissenschaftlichen“ Landschaftsdarstellung sowie die Betonung ethnischer Merkmale zu nationaler Isolation geführt? Aktuelle kunsthistorische, historische, museologische und kuratorische Debatten über eine Dekolonisierung von Bildern und Objekten sind Teil des Diskurses, an dem diese Konferenz ebenfalls interessiert ist.

"Inventing the pictorial North" zielt darauf ab, relevante Ergebnisse für die gegenwärtigen Geisteswissenschaften zu präsentieren und Darstellungen des "Nordens" auf neuartige Weise zu diskutieren. Dies geschieht nicht nur mit der Absicht, den “Norden“ jenseits der einzelnen nationalen Erzählungen zu verstehen, sondern ihn auch als übergeordneten Topos einer Kunstgeschichte und Geschichte zu lesen, die seit dem 19. Jahrhundert immer wieder versucht hat, geographische Räume mit spezifischen Motiven und Ikonografien in Verbindung zu bringen. Die visuelle Konstruktion des “Nordens“ stellt eine Lücke dar, die in den Geisteswissenschaften noch geschlossen werden muss. Daran möchte diese Veranstaltung teilhaben.

Information
Nico Anklam M.A., PhD Fellow
THEORIA Research Group „Romantic Painting in Northern Europe – transcultural connections and receptions“, Kurt-von-Fritz-Endowment for the humanities and social sciences in the State of Mecklenburg Western Pomerania 2017 - 2020
University of Greifswald, Caspar David Friedrich Institute for Art History
Rubenowstr. 2b, D-17487 Greifswald
Fon +49 (0)3834 420 3251, Fax +49 (0)3834 420 3258

Veranstaltungsorte
Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald
Martin-Luther-Straße 14, 17489 Greifswald 

Pommersches Landesmuseum Greifswald
Rakower Straße 9, 17489 Greifswald