Dr. Andreas Bedenbender

Alfried Krupp Junior Fellow

  • Geboren 1964 in Gadderbaum/Bielefeld 
  • Studium der Evangelischen Theologie und der rabbinischen Literatur in Göttingen, Heidelberg, Jerusalem, Berlin und Tübingen. 
  • Lehrbeauftragter für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum 

Fellow-Projekt: "Das Markusevangelium als frühjüdische Schrift – ein historisch-allegorischer Zugang"

Eine Erzählung, die zur Weltliteratur gehört und zugleich ein Schlüsseltext des Christentums ist – das Markusevangelium hat es in sich. In schlichten Worten schildert es in seiner ersten Hälfte, wie Jesus von Nazareth in Galiläa die frohe Botschaft von der Nähe des Gottesreiches verkündet und die Menschen mit allen Sinnen erfahren läßt, was diese Nähe bedeutet. Dann aber kommt die Wende. Sehenden Auges und willentlich schlägt Jesus einen Weg ein, der ihn ans Kreuz bringt und seine Anhängerschaft in Panik auseinanderlaufen läßt. Das alles wirkt rätselhaft, und es vollzieht sich doch textimmanent zugleich mit einer Notwendigkeit, wie man sie man aus griechischen Tragödien kennt. Um die Logik des Markusevangeliums zu verstehen, sind vor allem zwei Aspekte zu berücksichtigen: Zum einen entstammt die Schrift einem Milieu, das ein ausgesprochenes Faible für Allegorien und allegorische Interpretationen hatte. Alte Texte wurden auf doppelte Böden abgeklopft, neue doppelbödig angelegt. Deshalb muß damit gerechnet werden, daß die Schlichtheit des Markusevangeliums täuscht. Zum anderen ist das Werk in enger zeitlicher Nähe zu einer der größten Katastrophen der jüdischen Geschichte entstanden: der Tempelzerstörung des Jahres 70 n.Chr. Wie soll man die Auferstehung Jesu in einer Zeit zehntausendfachen grausamen Sterbens verkünden, ohne die Verhältnisse durch religiöse Vertröstung zu verharmlosen? Das ist die Frage, der Markus sich stellt und von der her viele Rätsel seines Werkes auf einmal einen Sinn ergeben. Das Forschungsprojekt zielt auf den Nachweis, daß eine derartige Sicht plausibel ist und gegenüber der derzeit vorherrschenden wissenschaftlichen Auslegung des Textes eine Reihe von Vorzügen hat. Insbesondere soll gezeigt werden, daß es zu der so verstandenen Schrift eine Reihe historisch naheliegender Analogien gibt: Das Trauma von 70 wird im Markusevangelium ähnlich verarbeitet wie in vielen anderen frühjüdischen Texten, die in jener Zeit entstanden sind.

Fellow-Bericht im Studienjahr 2008/09