Dr. Astrid Krenz

Alfried Krupp Junior Fellow
(Oktober 2020 - März 2021) 

  • Geboren 1982 in Detmold
  • Studium der Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Universität Bielefeld und an der Purdue University (USA)

  • Research Fellow an der University of Sussex (Digit Research Centre), Habilitandin an der Universität Göttingen


Fellow-Projekt: „Digitale Infrastruktur und regionale Disparitäten im Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland“

Mit der Zunahme flexibler Arbeitsformen (home office oder mobile Arbeit) ergeben sich besondere Anforderungen an neue Technologien und an die Qualität und Verfügbarkeit von Internetverbindungen. Damit Unternehmen, Beschäftigte, Kunden und Zulieferer regelmäßig Kontakt zueinander halten können, ist es wichtig, dass eine gute Breitbandstruktur vorliegt. Nun ist aber ein schnelles Breitbandnetz in Deutschland nicht flächenmäßig verfügbar. Ziel des Forschungsprojektes ist es, regionale Disparitäten und deren Veränderungen hinsichtlich der Qualität und Verfügbarkeit der digitalen Infrastruktur in Deutschland aufzuzeigen und den Einfluss von digitaler Infrastruktur auf die Firmenproduktivität und die Produktionsaktivitäten insbesondere für Mecklenburg-Vorpommern und zwischen ost- und westdeutschen Regionen zu untersuchen. Anhand der Forschungsergebnisse lassen sich wichtige Politikempfehlungen ableiten, die auf eine Verbesserung des digitalen Netzes und somit eine Förderung von Unternehmen in einer Region und speziell für Mecklenburg-Vorpommern abzielen.


Ergebnisse des Fellowships

Im Rahmen eines 6-monatigen Fellowships am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald bin ich der Frage nachgegangen, wie es um die digitale Infrastruktur in Deutschland bestellt ist, welche regionalen Disparitäten sich hinsichtlich der Verfügbarkeit und Schnelligkeit von Internetverbindungen zwischen den deutschen Regionen zeigen und wie diese die Standortwahl und Produktivität von Firmen beeinflussen. Da Firmen Arbeitsplätze schaffen, ist ein Florieren dieser eine elementare Bedingung für das Prosperieren sowie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer Region.

Ich möchte mich in diesem Projektbericht zunächst der Thematik widmen und dem Leser einen Einblick in die gegenwärtige Situation und in die Entwicklungen zur digitalen Infrastruktur vermitteln, sowie von den Ergebnissen aus meiner Forschung, insbesondere aus umfangreichen Datenarbeiten und ökonometrischen Analysen berichten und danach aus meiner Fellow-Zeit am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg erzählen.

Ein schnelles Breitbandnetz ist in Deutschland nicht flächendeckend verfügbar. Dies zeigt sich anhand von Daten des damaligen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, zu denen ich im Rahmen meiner Forschungsarbeiten Zugang erhalten habe. Es handelt sich bei den Daten um Variablen zur Breitbandverfügbarkeit in verschiedenen Breitbandklassen, die auf detaillierter regionaler Ebene (bis zur Gemeindeebene) vorliegen. Während in zahlreichen Regionen in Westdeutschland 75-100 Prozent der Haushalte auf Breitband mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde zurückgreifen können, ist dies in vielen Regionen in Ostdeutschland für nur 50-75% der Haushalte der Fall (siehe Breitbandatlas, BMVI, 2021). Neben den Unterschieden zwischen ost- und westdeutschen Regionen gibt es auch ein prägnantes Stadt-Land-Gefälle. Während z.B. die Stadt Greifswald eine Breitbandversorgung von mindestens 50 Mbit/s für 99% der Haushalte bietet, ist dies nur für durchschnittlich 77% der Haushalte im Landkreis Vorpommern-Greifswald und für 81% im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern der Fall (Breitbandatlas, BMVI, 2021). Mecklenburg-Vorpommern hat die geringsten Anteile an Breitbandverbindungen in % der Haushalte bis zur Klasse 100Mbit/s. Insbesondere der ländliche Raum in Mecklenburg-Vorpommern schneidet schlechter ab. International gesehen liegt Deutschland hinsichtlich des sehr schnellen Breitbandnetzes (VHCN) auf Platz 21 und damit unter dem EU-Durchschnitt; an der Spitze ist Malta (European Commission, DESI, 2020).

Deutschland verfügt über ca. 1 Million genutzte Glasfaser-Gebäudeanschlüsse (FTTH/B) (Stand 2020). Politisches Ziel der damaligen Bundesregierung war bis 2025 eine bundesweit flächendeckende Versorgung mit Gigabit-Netzen (1000Mbit/s) zu erreichen (im März 2016 vom damaligen BMWI veröffentlichte Digitale Strategie für 2025). Es gab bzw. gibt also noch Einiges zu tun. Interessanterweise liegt Deutschland bei der Anzahl der zugeteilten Frequenzen zur 5G-Nutzung europaweit an erster Stelle. Die Betreiber (Telekom, Vodafone, Telefonica) setzen aber (noch) auf einen Technologiemix, obwohl finanzielle Unterstützung im Breitbandbereich auf Bundesebene ausschließlich für Glasfaserprojekte gewährt wird.

Gerade in Pandemiezeiten hat sich gezeigt, dass eine gut funktionierende, zuverlässige, schnelle und flächendeckende digitale Infrastruktur unabdingbar für Gesellschaft und Wirtschaft ist. Die Medien berichteten über diverse Probleme, wie z.B. in einem Artikel zur Digitalisierung in Schulen mit dem passenden Titel „Verdammt, jetzt ist das Bild eingefroren“ (Die Zeit, Oskar Piegsa, 2021). Darin wird berichtet, dass in Hamburg ca. die Hälfte der städtischen Schulen eine Bandbreite von 50 bis 100Mbit zur Verfügung haben, die sich alle Klassen teilen, die andere Hälfte der städtischen Schulen haben aber nur 10Mbit pro Schule zur Verfügung. Der Bund habe eine Verbindung von 30 Mbit pro Klassenzimmer als Soll-Zustand definiert. Nun muss man dazu wissen, dass 10Mbit gerade dazu ausreichen zwei HD-Videos auf Netflix zeitgleich zu streamen.

Wir sehen also, dass bei der Bereitstellung einer guten digitalen Infrastruktur 2 Elemente eine wichtige Rolle spielen, nämlich 1. die Verfügbarkeit in der Fläche (Quantität) und 2. die Schnelligkeit und Stabilität (Qualität). Diese Komponenten spielen auch bei meinen Analysen zur Standortwahl und Produktivität von Firmen eine wichtige Rolle. Die Relevanz des 2. Punktes sollte bei zukünftigen politischen Entscheidungen nicht vernachlässigt werden, und sie ergibt sich ganz einfach daraus, dass immer schneller neue technologische Produkte entwickelt werden und Breitbandverbindungen mit dieser Entwicklung mithalten sollten.

Mit der Zunahme flexibler Arbeitsformen (home office oder mobile Arbeit) ergeben sich besondere Anforderungen an neue Technologien und an die Qualität und Verfügbarkeit von Internetverbindungen für Unternehmen. Diese sind davon abhängig, dass eine gute Breitbandstruktur vorliegt und dass sie zeitnah zu Kunden und Zulieferern Kontakt halten können. Einer Umfrage aus dem Jahr 2018 zufolge sehen 72% der Unternehmen das Kommunikationsnetz (Mobilfunk und Breitbandverbindung) und das Straßenverkehrsnetz als Beeinträchtigung für ihre Geschäftstätigkeit an (Grömling und Puls, 2018). Diese Einschätzung hat sich im Vergleich zum Jahr 2013 massiv verschlechtert (damals gaben 54% der Unternehmen an, dass die Kommunikationsinfrastruktur ein Hemmnis darstellt bzw. 63% entsprechend bzgl. des Verkehrsnetzes).

Aus der ökonomischen Theorie und aus den in Unternehmensumfragen genannten Hindernissen für die Geschäftstätigkeit leiten sich meine Arbeitshypothesen ab. Zu erwarten ist, dass eine bessere digitale Infrastruktur die Standortwahl einer Firma positiv beeinflusst und auch die Produktivität von Firmen durch diese positiv beeinflusst wird. Es gab bislang Studien zum Einfluss der Verkehrsinfrastruktur auf die Firmenproduktivität und auf andere Größen wie z.B. Beschäftigung oder Löhne. Dass Studien über den Einfluss von digitaler Infrastruktur fehlen, liegt wohl nicht zuletzt an der fehlenden Datenverfügbarkeit. Aus der ökonomischen Theorie ist bekannt, dass Verbesserungen in der Transportinfrastruktur die Transportkosten senken, was zu einem verbesserten Marktzugang und sogenannten positiven Agglomerationsexternalitäten führt (siehe Gibbons et al. 2019). Für die digitale Infrastruktur erwartete ich ähnliche Effekte: Verbesserungen in der Kommunikationsinfrastruktur senken Handels- und Transaktionskosten zwischen Unternehmen, Zulieferern und Kunden und verbessern den Zugang zu Güter- und Arbeitsmärkten sowie den Austausch von Wissen. In der Literatur finden sich z.B. folgende Ergebnisse, bislang primär zur Verkehrsinfrastruktur: Gibbons et al. (2019) zeigen für Großbritannien für den Zeitraum 1997-2008, dass neue Straßeninfrastruktur die Beschäftigung und die Anzahl an Betrieben per Region positiv beeinflusst. Des Weiteren gibt es positive Einflüsse auf die Firmenproduktivität (Umsatz per Arbeiter) und Löhne. Duranton und Turner (2012) zeigen, dass ein 10%iger Anstieg der Anzahl an highways einer Stadt in den USA zu einem 1.5%igem Anstieg in der Beschäftigung für den Zeitraum 1983-2003 führte.

Für die Analysen habe ich ökonometrische Modellierungen und Schätzungen durchgeführt. Ich habe untersucht, welche Wirkungsstärke potentielle Einflussfaktoren für die Standortwahl und für die Firmenproduktivität einnehmen. Dazu wurden multivariate Erklärungsmodelle geschätzt. Für die Standortwahl kamen diskrete Wahlmodelle zur Anwendung, für die Produktivität von Firmen sogenannte GMM-Verfahren, die der Endogenität von Variablen Rechnung tragen können.

Die Datenbasis bildeten amtliche Firmendaten, die vom Statistischen Bundesamt und den Statistischen Ämtern der Länder verwaltet und angeboten werden. Diese Daten haben eine außerordentlich hohe Qualität, da alle Firmen in Deutschland verpflichtet sind, an die Statistischen Ämter zu berichten. Es liegen Daten zu ca. 3,5 Millionen Firmen pro Jahr im Unternehmensregister vor. Dies unterscheidet die Daten von anderen verfügbaren Datenquellen, welche auf Stichproben oder Teildatensätzen beruhen und bei denen die Anzahl an Firmen mitunter nur im vierstelligen Bereich liegt. Es gibt einen wesentlichen wissenschaftlichen Vorteil für die Nutzung der amtlichen Firmendaten: die statistische Inferenz ist dadurch, dass es sich um die Gesamtpopulation handelt, umfassend gewährleistet.

Für mein Projekt habe ich die oben genannten Daten zum Breitbandausbau an die amtlichen Firmendaten herangeführt und nutze die Breitbanddaten mit diesem Projekt zum ersten Mal für die Bestimmung der Standortwahl von Firmen und die Produktivität von Firmen auf regionaler Ebene.

Als Ergebnisse meiner Studien lassen sich festhalten: a) es gibt starke regionale Unterschiede in der digitalen Infrastruktur in Deutschland und zwar in Form eines Ost-West- und in Form eines Stadt-Land-Gefälles, b) es gibt einen positiven Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit und Qualität von Breitbandverbindungen und der Standortwahl von Firmen in Deutschland und c) es gibt einen positiven Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit und Qualität von Breitbandverbindungen und der Produktivität von Firmen in Deutschland. Mittels der genutzten Datensätze zeigt sich, dass ein 1%-iger Anstieg der Verfügbarkeit an der schnellsten Breitbandklasse in einer Region die relative Wahrscheinlichkeit dass ein Betrieb sich in der Region niederlässt um etwa 0.4% erhöht. Die Schätzungen zur Firmenproduktivität zeigen einen positiven Effekt der regionalen digitalen Infrastruktur sowie anderer Inputfaktoren.

Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten habe ich in zwei Forschungspapieren festgehalten, eine Studie zur Bedeutung der digitalen Infrastruktur für die Standortwahl von Firmen und eine Studie zum Einfluss der digitalen Infrastruktur auf die Firmenproduktivität (Krenz, 2022a, 2022b).

Die Forschungsergebnisse hinsichtlich der Zugänglichkeit zur digitalen Infrastruktur sowohl in städtischen als auch in ländlichen Räumen und deren Einfluss auf die Standortwahl und Produktivität von Firmen haben große Politikrelevanz. Anhand der Forschungsergebnisse lassen sich Politikempfehlungen ableiten, die auf eine Verbesserung des digitalen Netzes und somit eine Förderung der Ansiedlung von Firmen in einer Region abzielen. Die Ergebnisse sind insbesondere für die Regionen interessant, in denen das Breitbandnetz unzureichend ausgebaut ist.

Während meines Fellowships am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald wurde mir die Gelegenheit geboten im Rahmen eines Interviews mit der Ostsee-Zeitung grundlegende Einflussfaktoren für die Standortwahl von Firmen in Deutschland sowie Entwicklungen hinsichtlich der regionalen Disparitäten bei der digitalen Infrastruktur zu erörtern. Dazu möchte ich mich bei Herrn Dr. Oberdörfer herzlich für das gute Gespräch und seine klugen Fragen bedanken.

Die Zeit am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg und in Greifswald und Umgebung habe ich sehr genossen. In Ruhe konnte ich meinen Forschungsarbeiten nachgehen, die Zeit war sehr produktiv und es sind viele Publikationen und neue Forschungspapiere während oder als Ergebnis der Forschungszeit entstanden. Es blieb neben all der Arbeit auch immer wieder Zeit für gute Gespräche, Kaffeepausen und Spaziergänge mit meinen Co-Fellows. Meinen großen Dank möchte ich all den Kolleg*innen und Mitgliedern des Kollegs aussprechen, die mir den Aufenthalt am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg ermöglicht haben, u.a. Frau Professorin Dr. Bonas, Herrn Dr. Suhm, Frau Kottwitz, Frau Bauerfeind sowie allen Verantwortlichen in der Auswahlkommission und im Kuratorium der Stiftung, im Vorstand und im Wissenschaftlichen Beirat. Die großartige Betreuung der Fellows, das starke Programm an inspirierenden Vortragsrunden, Treffen und Unternehmungen und die Herzlichkeit der Mitglieder des Kollegs und meiner Co-Fellows werden mir in guter Erinnerung bleiben. Und sicherlich wird man mich dann und wann auch in Zukunft in Greifswald und Umland antreffen können, denn durch den Forschungsaufenthalt sind Freundschaften entstanden und die schönen Landschaften laden zur Ausübung meiner Hobbies ein: das Wandern und die Fotografie. Summa summarum: Einen herzlichen Dank an das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald.

Literatur

  • BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) 2021. Bericht zum Breitbandatlas,https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/ZukunftBreitband/breitbandatlas-langbericht.html
  • Duranton, G.; Turner, M. 2012. Urban growth and transportation, Review of Economic Studies, 79, 1407-1440.
  • European Commission 2020. Digital Economy and Society Index, ex.europa.eu/digital-single-market/en/digital-economy-and-society-index-desi
  • Gibbons, S.; Lyytikäinen, T.; Overman, H.; Sanchis-Guarner, R. 2019. New road infrastructure: The effects on firms, Journal of Urban Economics, 110, 35-50.
  • Grömling, M.; Puls, T. 2018. Infrastrukturmängel in Deutschland, IW-Trends, Nr. 2.
  • Krenz, A. 2022a. Digital infrastructure, firm location choices, and regional disparities in comparison between East and West Germany.
  • Krenz, A. 2022b. Firm-level productivity and digital infrastructure – An analysis for the German economy.
  • Piegsa, O. 2021. Verdammt, jetzt ist das Bild eingefroren, in Die Zeit, https://www.zeit.de/2021/01/digitalisierung-schule-corona-krise-unterricht-hamburg-bildungssystem

Im Zusammenhang mit dem Forschungsaufenthalt am Alfried Krupp Kolleg entstandene Publikationen und Forschungspapiere:

Mit direktem Projektbezug:

  • Digital infrastructure, firm location choices, and regional disparities in comparison between East and West Germany, 2022
  • Firm-level productivity and digital infrastructure – An analysis for the German economy, 2022
  • The Benefits of Remoteness – Digital Mobility Data, Regional Road Infrastructure, and Covid-19 Infections (2021), with H. Strulik, German Economic Review, www.degruyter.com/document/doi/10.1515/ger-2020-0068/html

Mit zeitlichem Bezug:

  • Robots, Reshoring, and the Lot of Low-Skilled Workers (2021), with K. Prettner and H. Strulik, European Economic Review, 136, 103744, https://doi.org/10.1016/j.euroecorev.2021.103744
  • Unsupervised Document Classification integrating Web Scraping, One-Class SVM and LDA Topic Modelling (2021), with B. Saefken, A. Thielmann, C.J. Weisser, Journal of Applied Statistics, doi.org/10.1080/02664763.2021.1919063
  • One-Class Support Vector Machine and LDA Topic Model Integration- Evidence from AI patents (2021), with A. Thielmann and C.J. Weisser, Studies in Computational Intelligence, 981, Soft Computing: Biomedical and Related Applications, Editors N.H. Phuong, V. Kreinovich, Springer.
  • The spatial distribution of vaccination innovations – A cluster analysis based on patent data for the European Union
  • Scale effects and innovative activities – Big Data analyses and evidence for AI patents, with H. Strulik