Zur Kritik des Feminismus. Gender Studies in den Wissenschaften

Workshop

Feminismus ist populär – in den letzten Jahren ist ein deutlich gestiegenes öffentliches Interesse am Feminismus zu verzeichnen. Debatten um #MeToo,  Identitätspolitik, Feminismus in Pop und Mode, digitalen Feminismus und Initiativen zu gendergerechter Sprache ziehen breite Kreise. Mit der erhöhten Sichtbarkeit und Reichweite wird Feminismus auch zum Gegenstand einer mal mehr mal weniger polemisch geführten Debatte, wie sie sich etwa in der notorisch gewordenen Beschwörung einer vermeintlichen cancel culture verdichtet.

Gegenüber dieser Wahrnehmung und Debattenzuspitzung setzt der eintägige Workshop mit der Formel Zur Kritik des Feminismus auf einen anderen Zugang zur aktuellen Situation: Mit dem doppelten Genitiv, der den Feminismus sowohl als Subjekt wie als Objekt der Kritik sieht, steht die Verschränkung zweier Perspektiven im Mittelpunkt unseres Interesses.

1. Zur Kritik des Feminismus widmet sich dem Feminismus als kritische Intervention – feministische Positionen agieren seit langer Zeit als analysierende und wertende Beobachter in kulturellen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen. War schon Simone de Beauvoirs Le deuxième sexe eine kritische Bestandsaufnahme wissenschaftlicher Erkenntnisse über "die Frau", so arbeitet feministische Wissenschaftskritik spätestens seit den späten 1970er Jahren an dem Nachweis androzentrischer und phallogozentrischer Muster in verschiedenen Disziplinen (Hélène Cixous, Sandra Harding, Karin Hausen/Helga Nowotny, Cornelia Klinger, Luce Irigaray uvm.). Das Spektrum feministischer Programmatiken umfasst Positionen frauenzentrierter Parteilichkeit (Maria Mies), ökofeministische Revisionen des philosophischen Kanons (Susan Griffin) sowie die offene Kategorie des cyborg als Auflösung des Humanen (Donna Haraway). Es scheint uns zu kurz gegriffen, diese diskursiven Bewegungen in einer einfachen Gegenüberstellung von Feminismus und Gender Studies aufzulösen oder sie in der Metaphorik zählbarer Wellen zu historisieren.

2. Mit der Formel Zur Kritik des Feminismus verstehen wir Feminismus und Gender Studies daher zum anderen als feministische Ausdifferenzierung und Selbstkritik – die stärkste Kritik des Feminismus, so lautet die den Workshop leitende These, kommt aus der feministischen Theorie selbst. War schon die Debatte um political correctness in ihren Anfängen eine Form der Reflexion innerhalb der eigenen Reihen (Barbara Johnson), so sind kritische (Re-)Visionen und (Neu-) Modellierungen von Feminismus und Gender Studies etwa durch Auseinandersetzungen mit Heteronormativität (Judith Butler, Antke Engel), geschlechtlicher Binarität (J. Jack Halberstam, Rosetta Stone), race (Koa Beck, bell hooks, Trinh T. Minh-ha), Dekolonialisierung (Gayatri C. Spivak, Rafia Zakaria), Intersektionalität (Kimberly Williams Crenshaw, Maureen Maisha Auma) sowie Populär- und digitaler Kultur (Sonja Eismann, Angela McRobbie, Legacy Russell) immer auch eine Fortsetzung des kritischen Projekts des Feminismus. Es wäre zu diskutieren, ob noch die Arbeit an der Unterscheidung von Gender Studies und Feminismus (Stefan Hirschauer) in diesem Sinne als eine Form der Selbstkritik verstehbar ist.

In dieser doppelten Perspektivierung möchte der Workshop Zur Kritik des Feminismus aktuelle Diskussionen um geschlechtliche Binarität, gendergerechte Sprache, digitalen Feminismus sowie Intersektionalität und Dekolonialisierung in den Blick nehmen: als Bestandsaufnahme der Gegenwart wie als Arbeit gegen eine feministische "Geschichte der Geschichtslosigkeit" (Silvia Bovenschen), die wie ein Schluckauf (oder eine Welle?) unvermittelt wiederkehrt. An exemplarischen Diskursknotenpunkten kann – so unsere Hypothese – das Verhältnis von Gender Studies und Feminismus als beides zugleich sichtbar werden: feministische Kritik und Kritik am Feminismus.

Der Workshop bringt Forschende aus Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Ethnologie, Soziologie, Geschichte und weiteren Disziplinen zusammen:

Keynote: Gender (Studies) & Feminismus – chronischer Trouble einer offenen Beziehung
Referentin: Paula-Irene Villa Braslavsky (Soziologie, LMU München);

Vortragende: Theresa Heyd (Anglistik, Universität Greifswald), Ralph Poole (Amerikanistik, PLU Salzburg), Hedwig Richter (Geschichte, UBW München), Francis Seeck (Europäische Ethnologie, HU Berlin), Heide Volkening (Germanistik, Universität Greifswald), u.a.

Diskutierende: Eva Blome (Germanistik, Universität Hamburg), Jenny Linek (Universität Greifswald), Maria-Friederike Schulze (Kunstdidaktik, Universität Greifswald), u.a.

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