Die 1906 in der Berliner Nationalgalerie ausgerichtete „Jahrhundertausstellung deutscher Kunst“ markiert einen Wendepunkt in der Bewertung Caspar David Friedrichs. Zwar war dessen Landschaftsmalerei in den Jahrzehnten davor keineswegs völlig vergessen, doch galt sie eher als kunsthistorischer Abweg. Nun aber schien sie eine Alternative zu der mittlerweile kritisch gesehenen „offiziellen“ Kunst des 19. Jahrhunderts zu bieten – und ein Niveau, das an die bewunderte französische Malerei dieser Zeit zumindest heranzureichen schien.
Der Vortrag behandelt die Grundlagen und Motive dieser Umwertung um 1900. Unter den Vorzeichen der Moderne entwickelte sich damals eine neue Faszination für die formalästhetischen Qualitäten von Friedrichs Bildern, die etwa in Julius Maier-Graefes Katalogtexten zur Jahrhundertausstellung mit ihren bemerkenswerten Farbbeschreibungen zum Ausdruck kommt. In den nachfolgenden Jahrzehnten wurden immer wieder neue Aspekte von Friedrichs Werk in den Fokus gerückt. Es setzte eine vielschichtige, bewegte und nicht selten kontroverse Rezeptionsgeschichte ein. Wenn Friedrich in deren Folge heute als bekanntester deutscher Maler der älteren Kunstgeschichte gilt, so liegen die Grundlagen dafür auch letztlich immer noch in der „Jahrhundertausstellung“.
Christian Scholl ist Dozent am Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft der Universität Hildesheim. Er hat u. a. in München, Chicago und Göttingen zu Romantik und Romantikrezeption geforscht. Zu diesen Themen verfasste er neben zahlreichen Aufsätzen seine Habilitationsschrift Romantische Malerei als neue Sinnbildkunst. Studien zur Bedeutungsgebung bei Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich und den Nazarenern (München, Berlin 2005) sowie den Band Revisionen der Romantik. Zur Rezeption der ‚neudeutschen Malerei‘ 1817-1906 (Berlin 2012). 2015 erschien sein Buch Caspar David Friedrich und seine Zeit.
Moderation: Professor Dr. Kilian Heck
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