Hartmann von Aue, einer der bedeutendsten und vielseitigsten Dichter um 1200, spielt in seinen Werken mit Selbstnennungen und Äußerungen in der Autorrolle, um die empathische Affizierung seiner Rezipierenden zu befördern. Während für die Erzähltexte dieses Verfahren als Medium poetologischer Selbstreflexion anerkannt wird, dominieren für die Lyrik in der Forschung oft noch biographisierende Deutungen. Der Vortrag soll daher einen neuen Blick auf Hartmanns Liedkunst werfen. Es wird zu zeigen sein, wie der Dichter in seinen Minne- und Kreuzliedern pseudopersönliche Einlassungen verwendet, um anhand der dadurch erzeugten Wirklichkeitswahrnehmung sein Publikum zu manipulieren.
Ricarda Bauschke-Hartung studierte Germanistik und Romanistik mit Schwerpunkt Mittelalter an der Freien Universität Berlin, promovierte dort zu Walther von der Vogelweide und wurde mit einer Arbeit über Herborts Trojaroman habilitiert. Einer ersten Professur in Freiburg im Breisgau folgte der Ruf auf den Lehrstuhl an der Universität Düsseldorf, den sie seit 2008 bekleidet. Sie hatte dort von 2012 bis 2014 das Amt einer Prorektorin für Studienqualität und Gleichstellung inne und ist seit 2017 Mitglied des Hochschulrates. Im Vorstand der Wolfram-von-Eschenbach-Gesellschaft arbeitet sie seit 2012, seit 2021 als Präsidentin.
Moderation: Dr. Florian M. Schmid