Schubert und die Romantik des Fremden - Von österreichischen, ungarischen, schwedischen Farben, romantischen Sehnsüchten und ethnischen Fragwürdigkeiten

Öffentlicher Abendvortrag

Schuberts Musik bildet den roten Faden dieses Vortrags: nirgendwo sonst wurde die Situation des Wanderers, der überall fremd ist, selbst in der eigenen Seele, so sehr zum Lebensthema wie bei ihm: „Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück“.
Andererseits verkörpert kaum jemand das Österreichische in der Musik so wie Schubert, und trotz der beiden Abstecher nach Ungarn wäre er wohl auch bei besserer Gesundheit kein großer Reisender geworden. Der lange Weg der „Winterreise“ umschreibt ein relativ kleines Areal: der letale Schlusspunkt befindet sich nicht in blauer Ferne, sondern einfach an sozial niederster Stelle: beim Leiermann. So sehr Schubert die Landschaft verinnerlicht hat, die seine Heimat war, so sehr hat ihn doch die innere Fremdheit auf Wege geführt, die allen land- und weltläufigen Normen zuwiderliefen: der Mann, der am laufenden Band für den Freundeskreis Tanzmusik erfand, blieb um so hellhöriger für alles, was ganz anders war.
Ein Vortrag mit Gedankensprüngen: man kann am Beispiel der vielleicht schönsten „fremden“ Musik, die zu einem bestimmten Zeitpunkt wohl nur in Wien, dem Mittelpunkt westlicher Kultur, entstehen konnte, auch die wirkliche Entfernung ermessen, die zwischen uns und der Musik der Fremde liegt: zwischen der Musik Schuberts und der Musik anderer Kulturen.

Jan Reichow (*1940 in Greifswald) ist Violinist und Musikethnologe. Nach dem Studium der Musik, Germanistik, Philosophie und Völkerkunde in Berlin und Köln wirkte er zunächst als Geiger in verschiedenen Kammerorchestern mit, bevor er 30 Jahre als Redakteur beim WDR arbeitete. Die Förderung des Verständnisses für die außereuropäische Musik und Kultur war dabei eines seiner Hauptanliegen. Seit seiner Pensionierung 2005 ist er u.a. als freiberuflicher Rundfunkautor und als Lehrbeauftragter an der Folkwang Hochschule in Essen tätig.

Moderation: Professor Dr. Matthias Schneider


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