2 Minuten mit Privatdozent Dr. Michael Bies

Das Basteln ist eine unterschätzte Tätigkeit. Denn obwohl es oft als kindliche Spielerei oder nicht immer ernstzunehmender Zeitvertreib von Nerds abgetan wird, ist es untrennbar mit Schlüsselkonzepten der Moderne und Postmoderne wie ‚Arbeit‘, ‚Kunst‘, ‚Spiel‘ und ‚Individualität‘ verbunden. Deutlich wird das bereits im 19. Jahrhundert, in dem sich das ‚Basteln‘ in Abgrenzung vor allem von Konzepten wie ‚Handwerk‘ und ‚Arbeit‘ als Inbegriff einer ‚kleinen‘ und ‚abwegigen‘ Tätigkeit oder ‚Flickarbeit‘ formiert, bevor es sich in den 1920er Jahren, in Verbindung mit Medien wie dem Radio und Gattungen wie dem Bastelbuch, als Freizeittätigkeit etabliert und in den 1960er Jahren mit Claude Lévi-Strauss’ Theorie der Bricolage zu einem Schlüsselkonzept der Postmoderne avanciert, auf das noch heute in den verschiedensten Bereichen der Wissenschaften und Künste zurückgegriffen wird.
Das interdisziplinäre Projekt möchte die scheinbar ‚abwegige‘ Tätigkeit des Bastelns aus einer literatur-, kultur- und theoriegeschichtlichen Perspektiven aufarbeiten. Gezeigt werden soll, dass das Basteln über eine kontinuierliche, mit der gesellschaftlichen Moderne anhebende Geschichte verfügt, in deren Verlauf es in verschiedener Hinsicht als Reflexionsmedium von allem von ‚Arbeit‘ diente; dass es darüber hinaus häufig in Kunst und Literatur verhandelt und als Verfahren zur Produktion von Kunst und Literatur verstanden wurde; und dass es schließlich kulturell und historisch verschiedene Formen ausgebildet hat. Verfolgt werden sollen hierfür vor allem die Formationsphase des Bastelns im 19. Jahrhundert, die Etablierung des ‚Freizeitbastelns‘ zwischen 1920 und 1950, die 1962 mit der Theorie der Bricolage anhebende postmoderne Phase und schließlich die gegenwärtigen Verhandlungen von Basteln im Kontext von Diskussion zum Selbermachen und Do-it-Yourself.

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